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1934 – Der Anfang

Im Jahre 1934 sahen sich Werner Kern und Max Schaufelberger als Absolventen einer Ingenieurschule mit den damaligen schlechten Beschäftigungsmöglichkeiten konfrontiert. Sie schlossen sich deshalb zusammen und gründeten mit bescheidenem Kapital  eine Radiohandelsfirma mit Service Werkstätte. Es zeigte sich bald, dass diese Branche nur während den Wintermonaten gute Beschäftigung sicherte. Damals waren im Sommer viele Winterthurer noch in der Landwirtschaft tätig und verbrachten auch die Sommerabende im Freien und hatten keine Zeit Radio zu hören. Deshalb suchten die jungen Unternehmer nach einer interessanten Zusatzarbeit für die Sommermonate.

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Abb. 1: Windkraftanlage auf Fahrzeug, betrieben mit Holzgas Anhänger, unterwegs zum San Bernardino

Max Schaufelberger war begeisterter Aviatiker und Kleinflugzeug Pilot und verfiel der Idee, sich mit der Entwicklung von Windkraftanlagen zu befassen. Kurze Zeit später konnte die Windkraft GmbH gegründet werden: der Aufstieg eines einzigartigen Schweizer Unternehmens auf dem Gebiet einer umweltfreundlichen Energieerzeugung nahm seinen Anfang.

1939 – Erste Seriengeneratoren

Wenige technische Apparaturen sind so harten Bedingungen ausgesetzt wie Windkraftanlagen. Das Regulieren der Drehzahl und Notabschalten bei Sturm sind neben einer sehr widerstandsfähigen Konstruktion und hoher Korrosionsbeständigkeit die Voraussetzung für einen störungsfreien Betrieb.

Abbildung 2 zeigt eine frühe Entwicklung mit Starrpropeller und Luftbremse, die nur von 1939 bis 1941 gebaut wurde. Die Luftbremse wird bei ca. 600 U/min automatisch eingeschaltet und erzeugt genügend Luftwiderstand, damit die Drehzahl nahezu konstant bleibt. Auf dem rechten Foto ist das Nachfolgemodell mit automatischem Verstellpropeller vor der Werkstätte an der St.Gallerstr. 27 zu sehen. Dieser hatte einen leichteren Anlauf, geringere Geräuschentwicklung und einen besseren Wirkungsgrad.

Eine der bekanntesten Anlagen, erbaut 1941, befand sich zu dieser Zeit auf dem San Bernardino und versorgte das Restaurant Hospiz mit einem 1000 Watt Generator. Gekoppelt mit einer selbstgebauten Batterie aus 8 Elementen (6V,122Ah), ein Schweizerfabrikat, konnten so 22 Lampen, Radio und zusätzlich ein Bügeleisen versorgt werden.

Das Resultat der Anstrengungen war eine Typenreihe von Windkraftanlagen, welche während langer Betriebszeit mit wenig Wartung funktionstüchtig bleiben sollte. Einer der ersten Kunden aus Winterthur war Herr J. Diener, der 1942 für sein Ferienhaus am Greifensee eine  150 Watt Windkraftanlage erworben hatte. Damit konnten gleichzeitig 10 Beleuchtungslampen und 1 Radio betrieben werden.

1943 – Gründung Windkraft GmbH

Drei Gründe waren für die Pioniere ausschlaggebend um sich in den Wintermonaten mit der Erzeugung von elektrischer Energie durch Windkraft zu beschäftigen:

  1. In den späten Dreissigerjahren erschienen bereits erste Veröffentlichungen über zukünftige Energie-Engpässe.
  2. In der Schweiz, einem Land mit einem sehr engmaschigen Verteilnetz für elektrische Energie, waren immer noch zahlreiche Häuser ohne Anschluss.
  3. Falls es gelingen würde, extrem robuste Windkraft Anlagen zu bauen, bestand darin eine Zukunft für den Export in Gebiete mit einer schlechten elektrischen Energieversorgung.
Abb. 11: Logo Windkraft GmbH Winterthur

Abb. 11: Logo Windkraft GmbH Winterthur

Die Mustermesse Basel 1945 bot den Firmengründern eine gute Gelegenheit, die Windkraftanlagen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es wurde das Komplette Windkraft System inklusive der eigenen Schalt- und Umwandlungsgeräte, Batterien, Getriebe und Hochleistungsgeneratoren ausgestellt. Der Werbetext “Licht durch Windkraft” erinnert daran, dass es in der Schweiz immer noch Häuser ohne elektrische Beleuchtung gab. Der fortschreitende Ausbau der Schweizer Stromversorgung verringerte später die Bedeutung der Windkraft als Grundversorgung. Stärkere Glühlampen und Apparate wurden zur Gewohnheit, was  den Energiebedarf stark ansteigen liess und eine Anbindung der Haushalte and das öffentliche Stromnetz unausweichlich machte.

Heute ist  nach dem Durchbruch der LED Technologie autonome Energieversorgung der Beleuchtung wieder ein Thema.

1952 – Versuchsstation Brütten

Die 1952 erbaute Versuchsstation in Brütten (ZH) ist noch heute in Betrieb. Neben der Versuchsstation mit zwei Masten befindet sich das Haupthaus (rechts), welches wie die Versuchsstation als Wohnhaus verwendet wird und direkt neben dem Schulhaus Brütten liegt.

Abb. 15: Versuchsstation Brütten (Haus links) mit WVG5 Windkraftanlage, 1952

Abb. 15: Versuchsstation Brütten (Haus links) mit WVG5 Windkraftanlage, 1952

Die Versuchsstation war ursprünglich für 65V und 220V verdrahtet. Neben dem unabhängigen Wind/Batterie 65V Betrieb konnte die Versuchsstation seit Beginn auf einen Hilfsdiesel umgeschaltet werden, der neben der Netzspeisung die Versuchstation mit 220V versorgen konnte. Zusätzlich zu einem zweiten Masten wurden viele kleine Änderungen vorgenommen. 1996 wurde die Anlage mit einem Solarmodul ergänzt. Die neue 24V  Konfiguration basiert auf einer  500W Windkraftanlage und einer 500W Solaranlage.

1954 – Erfolge in der Schweiz – Elektro GmbH

In der Schweiz waren zeitweise mehr als 100 Windkraftanlagen aus Winterthur gleichzeitig in Betrieb. Die meisten Standorte waren abgelegene SAC Hütten, Passhöhen, abgelegene Bauernhöfe und Ferienhäuser ohne Netzanschluss.  Elektro GmbH verbesserte seine Windkraftprodukte stetig. Die Anlagen waren sehr zuverlässig und setzten einen Standard, der Elektro GmbH schnell zum schweizweit bekanntesten Windkraft Unternehmen werden liess. Der Pioniergeist führte Max Schaufelberger und Werner Kern auch zur Entwicklung und Produktion von Batterien, Transformatoren und allen übrigen Komponenten, die auf dem Weltmarkt nur  schwierig oder gar nicht bestellt werden konnten. Zeitweise wurden sogar kleine Wasserturbinen gebaut. Folgende undatierte Karte zeigt einige Standorte der einst installierten Wind- und Wasserkraftanlagen.

Standorte Wind Wasser

Abb. 18: Standorte gelieferte Anlagen Schweiz, Windkraft und Wasserkraft

Der hohe Bekanntheitsgrad und die vielen Installationen in der Schweiz waren möglich, weil ein grosses Interesse an neuer Technologie bei der Bevölkerung vorhanden war. Lange Zeit wurden alle Anlagen ausschliesslich als Inselsysteme ohne Einspeisung ins Elektrizitätsnetz betrieben, weil dies erst mit der Markteinführung moderner Leistungselektronik möglich wurde. Eine Einspeisevergütung für kleine Anlagetypen war in der Schweiz nie vorgesehen, weshalb sich eine Einspeisung nur zur Senkung der Kosten durch Reduzierung des Eigenverbrauchs amortisierte. Die folgenden Abbildungen zeigen die Vielfalt der hergestellten Komponenten.

Die gewonnenen Erkenntnisse liessen die Pioniere  umgehend in die Produkte einfliessen. Dies führte zu sehr zuverlässigen Windkraftanlagen, bei denen erstmals nach sechs Jahren das Getriebeöl gewechselt werden musste. Die grössten Erfolge und auch einen hohen Bekanntheitsgrad errangen die Windkraft Pioniere mit der Ausrüstung von diversen SAC Hütten.

Die Anlagen wurden über Jahrzehnte trotz vielen Rückschlägen, die hauptsächlich wegen Sturmschäden und Vereisung entstanden, betrieben. Die Grenzen der Windkraft wurden in den Alpen klar ersichtlich. Die Belastung der Flügel und der Anlage als Ganzes steigt bei Sturm um mehr als  das 100 fache. Da aber ein erhöhtes Gewicht der rotierenden Teile einen geringeren Gesamtwirkungsgrad mit sich bringt, sind an extremen Windstandorten, Solarzellen der Windkraft überlegen. In der Zeit bis zur Einführung der Solarzelle wurden die Windkraftanlagen aus Winterthur praktisch sturmsicher weiterentwickelt. Ein sehr grosses internationales Interesse brachten viele Technologieanfragen aus Übersee und die vielen Kontakte waren später die Grundlage der internationalen Erfolge.

1965 – Internationale Erfolge

Schon früh begann sich das benachbarte Ausland für die Windkraft Erfolge in der Schweiz zu interessieren. So wurde schon 1950 eine Anlage nach Italien geliefert. Generell mussten die Anlagen vermehrt auch Umweltbedingungen standhalten, die in der  Schweiz nicht vorkommen. Dank den frühen Erfahrungen mit Wüstensand, Salzwasser und alpiner/arktischer Vereisung, konnten die Windkraftanlagen aus Winterthur bald jeder Witterung standhalten. Es entstanden die Optionen ‘Tropic Type’ und ‘Arctic Type’, die mit einer Reihe von technischen Massnahmen in diesen Regionen eine sehr lange Lebensdauer ermöglichten.

Mit dem Ausbau der Stromnetze in der Schweiz wurde das Auslandgeschäft immer wichtiger. Die Instruktion und Montage erfolgte oftmals vor Ort und war immer eine grosse Herausforderung. Die Ausführung solcher Projekte erforderte eine genaue Planung und ein hohes Problemlösungsvermögen vor Ort, weil die modernen Kommunikationsmittel fehlten. Es gab Jahre, in denen mehr als 100 Anlagen ins Ausland verkauft wurden.

Elektro GmbH trug als Systemeigner die “technische Verantwortung” und dies barg ein erhebliches Haftungsrisiko in sich. Bei einem Misserfolg oder einem technischen Versagen entstanden schnell hohe Kosten. Dank jahrelanger Entwicklung und Erprobung entstand eine Serie von extrem zuverlässigen Windkraftanlagen (bis 8kW), die bei einwandfreier Qualität und fachgerechter Montage praktisch wartungs- und störungsfrei waren.

1975 – Elektrische Energie durch Windkraft

Mit der Veröffentlichung des Buches “Elektrische Energie durch Windkraft”, Verfasser Max Schaufelberger, ging eine Ära der Windkraftgeschichte zu Ende.

Inhalt des Buches sind die Erfahrungen aus einem Zeitabschnitt von 37 Jahren, während welcher sich ein Ingenieur der Elektro GmbH Winterthur mit seinem Team ununterbrochen in Theorie und Praxis mit den sich stellenden Fragen der Windkraft auseinandergesetzt hat. Das Buch ist in Deutsch, Englisch und Französich als Download erhältlich.

1980 – Instandhaltung und Ersatzteile

Nach der Pensionierung von Herr Schaufelberger endete langsam die Zeit von Entwicklung und Erprobung von neuen Windgeneratoren. Die Anlagen im Bereich von 2kW-8kW waren sehr weit ausgereift und es konnten nur noch kleine Verbesserungen gemacht werden. Der Schritt zur Entwicklung grösseren Anlagetypen war wegen fehlender Förderungsgelder nicht möglich. Die Grundlagenarbeit wurde in mehreren benachbarten Ländern vom Staat unterstützt. Daher wurden mehr und mehr nur noch Technologieanfragen beantwortet und Ersatzteile geliefert.

Viele der Anlagen wurden modifiziert und z.B. mit neuen Rotorblätter oder modernen Umformer für die Netzeinspeisung ausgestattet. Viele wurden auch komplett demontiert und wieder instandgesetzt, weil sich das System als sehr zuverlässig und robust erwiesen hat. Ein technisch interssanntes Beispiel ist die Anlage auf dem La Dole (GE). Sie wurde mehrfach überholt und modifiziert, erwähnenswert ist hierbei die Rotorgeometrie. Das diese frühe Meisterleistung im Bereich erneuerbaren Energien in Winterthur stattgefunden hat ist bemerkenswert und  den Pionieren Max Schaufelberger und Werner Kern zu verdanken.

In Winterthur ist am ehemaligen Standort der Windkraft GmbH(St.Gallerstrasse 27) eine Windkraftanlage installiert, die an vergangene Zeiten erinnert, jedoch alterbedingt keinen Strom mehr produziert. Gut ersichtlich ist der abgesetzte Getriebekasten, dessen Formgebung weltweit mehrfach kopiert und wiederverwendet wurde, was für die Qualität der Anlagen spricht. Dies ist das vorläufige Ende der Windkraft Geschichte Winterthur. Falls Sie mehr zur über die Windkraft Geschichte in Winterthur erfahren möchten, finden Sie hier weitere Information: